Die Fotos aus Kleinlomnitz entstammen einem Konvolut von Kleinbild-Negativen, das bei Ebay versteigert wurde. Die Negative befanden sich in einer Schachtel, die ursprünglich Fotoplatten im Format 9 x 12 enthalten hatte. In der Schachtel befanden sich 52 Kleinbildnegative. Oben auf der Schachtel ist ein Aufkleber angebracht, der die Angaben enthält: „Zips: Ein deutsches Dorf“, „4- 82“ und „52 Negative“. Die Lieferung kam aus Berlin. Der Verkäufer der Negative konnte nur wenig über die Herkunft der Negative sagen. Er hatte sie von jemandem erhalten, der sie seinerseits von jemand erhalten hat.
Auf einem der Fotos ist ein sehr neu aussehender Deckenbalken zu sehen auf dem das Datum „18. Juny 1930” aufgemalt ist. Das Foto zeigt sonst nichts Interessantes und so ist die Aufnahme möglicherweise nur wegen dieser Datumsangabe entstanden. Da in Kleinlomnitz im Juni 1930 aber kein Schnee mehr lag und die Aufnahmen nicht nach erstem Schnee aussehen, könnten die Aufnahmen zwischen Januar und April 1931 entstanden sein. Die Negative sind aus der leicht entzündlichen Nitrozellulose als Trägermaterial hergestellt worden, was in den 1930er Jahren noch Stand der Technik war.
Die Negative weisen relativ viele Gebrauchsspuren auf. Sie waren ursprünglich als komplette Streifen in Kleinbild-Pergaminhüllen abgelegt worden. Später sind sie dann aber in einzelne Aufnahmen zerschnitten und beginnend mit „4-82“ neu durchnummeriert worden. Die Negative sind dann wohl durch mehrere Hände gegangen, die nicht alle mit äußerster Sorgfalt mit ihnen umgegangen sind. Das legt die Vermutung nahe, dass es sich um professionell genutzte Negative handeln könnte, die im redaktionellen Umfeld einer Zeitung oder Zeitschrift verwendet worden sind.
Die Verwendung von Kleinbildnegativen im Pressebereich war in den 1930er Jahren neu. Üblicherweise wurde damals noch mit Aufnahmen im „kleinen“ Großformat, also mit 9 x 12 cm gearbeitet. Die Verwendung von Mittelformataufnahmen galt als innovativ, aber die Möglichkeit, das Kleinbildformat für redaktionelle Zwecke zu verwenden, wurde nur von wenigen Publikationen genutzt. Abgesehen von den Gebrauchsspuren haben die Aufnahmen eine Qualität, die für Aufnahmen aus dieser Zeit außergewöhnlich gut ist. Diese Qualität im Kleinbildformat konnte in 1931 nur mit einer Leica I erzielt werden. Erst in 1932 kam mit der Contax I eine Kamera auf den Markt, die vergleichbare Qualität liefern konnte. Der Fotograf war also sehr innovativ.
Die Innovationsfreude des Fotografen beschränkte sich nicht nur auf die Technik, sondern auch auf die Bildsprache. Gängige Personenaufnahmen aus den 1930er Jahren wirken aus heutiger Sicht durchwegs arrangiert. Die Aufnahmen des Fotografen dieses Konvoluts zeigen dagegen Bilder, die wie aus dem Leben gegriffen sind. Die gewöhnlichen Tätigkeiten von Frauen und Männern, das Spielen der Kinder, das Leben in der Familie. Auch dass er die Innenaufnahmen nur mit vorhandenem Licht, also ganz ohne Fotolampen oder Blitzlicht aufgenommen hat, spricht für die Vermutung, dass es sich um einen talentierten Fotojournalisten gehandelt hat, der aufgrund seines Könnens unweigerlich Spuren in den Medien hinterlassen haben muss.
In der Karpatenpost Nr. 45 vom 1.11.1930 wurde auf S. 7 ein Text der „Münchner Illustrierten Presse“ übernommen. Hierin wurde berichtet, dass der Fotograf „Man-Dephot“ auf seiner Studienreise durch die Zips hervorragende Aufnahmen von Kleinlomnitz erstellt hat, die u.a. die Dorfstraße, Mädchen in ihrer Tracht und eine „Malzeit aus der gemeinsamen Schüssel“ zeigen.
Man-Dephot ist allerdings kein unbekannter Fotograf, sondern der Künstlername von Felix H. Man, der 1930 unter dem Namen „Man“ beim Deutschen Photodienst (Dephot) angemeldet war, und der für die „Münchner Illustrierten Presse“ sowie die „Berliner Illustrirte Zeitung“ tätig war. Felix H. Man zählt neben Erich Salomon zu den Gründern des Fotojournalismus. Felix H. Man hat im Sommer 1930 in Kleinlomnitz fotografiert. im Buch "Felix H. Man - Bildjournalist der ersten Stunde" findet sich auch ein Hinweis auf den Artikel in der Münchner Illustrierten Presse. Die Ausgabe 42 des Jahres 1930 enthält einen Artikel mit insgesamt 11 Fotos. Diese Fotos sind durchaus ähnlich aber nicht identisch. Ein weiteres Argument, das gegen Felix H. Man als Fotografen spricht: Felix H. Man hatte zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Ermanox gearbeitet und noch nicht mit einer Leica. Wer der Fotograf war, das bleibt also weiterhin im Dunkeln. Wie ein direkter Vergleich der Fotos gezeigt hat, muss sichte Qualität aber nicht hinter der von Felix H. Man verstecken.